Nagelform Ballerina – Schön und Gefährlich

Heute lief 50 Shades of Grey im TV. Auch bei manchen Anfragen von Neukundinnen habe ich das Gefühl, dass diese Damen auf Schmerzen stehen. Nein, nicht den süßen Schmerz, welchen Anastasia empfindet, wenn Christian im Spielzimmer loslegt. Ich meine den echten Schmerz wie er entsteht, wenn ein modellierter Nagel aufgrund zu hoher Belastung nachgibt und ein Stück Naturnagel mitnimmt.

Es gibt im Nageldesign viele Nagelformen, aus denen Du wählen kannst. Genau wie Architekten die Statik eines Gebäudes planen und durchrechnen, damit für die Sicherheit der Bewohner gesorgt ist, haben Nageldesigner die Aufgabe die Belastbarkeit von Nägeln einzuschätzen und entsprechend zu arbeiten. Bei einem Gebäude kommt es beispielsweise darauf an, ob es im Schwarzwald oder in Tokio steht. Während der Schwarzwald eine tektonisch ruhige Gegend ist, müssen Häuser in Tokio regelmäßig der hohen Belastung von Erdbeben standhalten. Ebenso ist es mit der Statik von Modellagen. Es macht einen riesen Unterschied, ob Deine Nägel ausschließlich in Berührung mit der Tastatur Deines Notebooks kommen oder ob Sie beim Klettern in der Eiger-Nordwand Dein Gewicht halten müssen.

Einige Formen, so schön sie auch sein mögen, sind für die alltäglichen Aufgaben Deiner Hände nicht geeignet.

Während es für einige Kolleginnen und Kollegen anscheinend kein Hindernis darstellt, jeden noch so absurden Wunsch ihrer Kundinnen zu erfüllen, mache ich mir ernsthafte Sorgen um die möglichen Folgen meiner Tätigkeiten.

Um den Wunsch der Kundin möglichst real umzusetzen, bedarf es hier doch eine genauere Betrachtungsweise und auch seitens der Stylistin Beratungsbedarf gegenüber der Kundin. Denn nicht alles ist auch umsetzbar.

Auf ein paar  Beispiele möchte ich in diesem Beitrag eingehen.

Lange Nägel

Nägel sind KEINE Werkzeuge.

Lange und schöne Nägel – das wünschen sich viele Damen. Doch passt die Basis – das Nagelbett – nicht, sind lange Nägel suboptimal. Die Gefahr von Verletzungen ist um ein Vielfaches höher. Wenn Du als Kundin von Natur aus ein schönes und langes Nagelbett hast, ist die Möglichkeit durchaus gegeben, daraus auch längere Nägel zu designen. Denn nicht nur die Optik spielt eine Rolle, sondern auch der Aufbau, Apex, die Statik, und vor allem auch die Gesundheit der Naturnägel stehen im Vordergrund.

Folgende Problematik stellt sich bei solchen Nagelbetten dar:

1. Trapeznagel (Seitenlinien und Nagelfalz laufen nicht gerade heraus, sondern wie eine Art Trapez breitläufig auseinander)
2. Breites und rundes Nagelbett
3. Ähnlichkeit mit Uhrenglasnägel

Hier sind lange Nägel ein No Go. Die Größe und Breite des Nagelbettes würde in diesem Fall einen sehr massiven Aufbau erfordern, welches den Nagel im Optischen noch breiter und wuchtiger erscheinen lassen würde.

Die Gefahr von Brüchen und seitlichen Einrissen ist sehr hoch. Bei diesen Nagelbetten arbeite ich persönlich keine längeren Nägel.

Lösung

Bei diesen Nägeln rate ich zu einer klassischen und kurzen Mandelform (oval) – diese gleicht optisch die Trapezform des Naturnagels sanft aus und nimmt der Form die Wuchtigkeit.

Bei diesen Nägel arbeite ich auch kein French. Mehr dazu hier: „Warum French nicht für jeden geeignet ist”.

sehr kurze Nagelbetten / Nagelbeißer

Auch hier gibt es wieder folgende Problematiken, die auftreten können:

1. Zu kleine Nagelfläche -> zu lange Nagelmodellagen führen schneller zu Liftings, Ablösen des Modellagematerials durch die auftretende Hebelwirkung
2. Meist unförmige Nagelbetten
3. Kundin kann sich von jetzt auf gleich nur sehr schwer an die neue Länge der Nägel gewöhnen
4. Verletzungen und Nagelbrüche können auftreten

Auch hier sind lange Nägel äußerst suboptimal. Nicht nur die Länge kann zu schmerzhaften Brüchen und Verletzungen führen, sondern verringert aufgrund der viel zu geringen Basisfläche auch die Haltbarkeit.

Je länger Deine Nägel verlängert werden, desto größer wird das Ungleichgewicht zwischen der haftenden und Stabilität gebenden Fläche auf Deinem Nagel und der verlängerten Modellage. Auch wenn es im Nagelstudio eher selten zur Sprache kommt, unterliegt jede Modellage den Hebelgesetzen. 

Das auf Deinen Nägeln liegende Material bildet den Lastarm. Die verlängerte Fläche bildet den Kraftarm, wenn eine Belastung ausübt wird. Last mal Lastarm = Kraft mal Kraftarm. Wird über ein gesundes Maß hinaus verlängert, genügen bereits geringe Belastungen um das Material brechen zu lassen. Dabei besteht die echte Gefahr einer Verletzung. 

Es sollte immer die Regel Nr. 1 beachtet werden: Nicht mehr als 50% der Gesamtlänge des Naturnagels verlängern. Somit ist eine gute Haltbarkeit der Modellage gewährleistet und die Gesundheit der Nägel wird ist gewährleistet.

Allgemein sind lange Nägel nicht nur ein großer Zeitfaktor im Studio, sondern auch nicht für jede Kundin geeignet. Die Kundin muss damit auch umgehen können. Das ist leider nicht immer der Fall, sei es, dass sie ihre Nägel in ihrem täglichen Berufsalltag nicht schont oder auch privat nicht gerade sanft mit ihnen umgeht. Modellierte Nägel sind keine Werkzeuge. Die Verstärkungen (Modellage) sind ein zusätzlicher Schutz für die Nägel, sind aber bei jeder Tätigkeit auch Spannungen, Druck und Belastungen ausgesetzt. Das heißt wiederum, dass eine Modellage kein Garant für eine wochenlange Haltbarkeit darstellt. Dennoch gilt, wer auf seine Nägel aufpasst, hat lange Freude an ihnen =)
Neben dem Zeitfaktor im Studio zählen auch die Kosten. Natürlich gibt es da auch wieder viele Studios mit unterschiedlichen Preisen und Qualität. Auch hier sollte man sich im Vorhinein beim Studio genau informieren, bevor es am Ende zu unangenehmen Überraschungen kommt.

Formen

Wie bei der Kleidung gibt es auch bei den Nagelformen immer wieder Trends, nach denen die Kundinnen ihren Wunsch für ihre Nägel richten.

Diese Trends wechseln sich ab und an immer wieder ab. Eine Form hält sich während meiner bis heute andauernden Tätigkeit im Nageldesign allerdings besonders und sie ist vorrangig bei den jüngeren Kundinnen beliebt.

Die Rede ist von sogenannten „Ballerina“-Nägeln.

Zu dieser „Nagelform“ möchte ich kurz meine Ansicht darlegen:

• Bei dieser Form werden die Seiten- und Basislinien verfeilt -> die Folge sind seitliche Brüche und Einrisse und Verletzungen
• Der Aufbau, Apex und die Hairline muss dementsprechend dicker gearbeitet werden – je mehr Material verwendet wird, desto dicker werden die Nägel
• Ballerinas benötigen ein von Natur aus längeres und schmales Nagelbett -> leider haben dies die wenigsten Frauen
• Dementsprechend benötigen Ballerinas eine bestimmte Länge, damit die Form wirkt
• Statik, Haptik und Optik sind nur sehr schwer miteinander kombinierbar  -> es sei denn, die Ausgangsbasis stimmt
• Mit dieser Form kann nicht jede Kundin umgehen (Gartenarbeit, Haushalt und der Alltag spielen eine wesentliche Rolle für das Tragen dieser Nägel)

Meine Erfahrungen mit dieser Form brachten mich zu folgendem (persönlichem) Entschluss. Diese Form und Länge gefällt zwar den meisten Kundinnen, jedoch biete ich sie nicht mehr in meinem Studio an. Ich arbeite zu 99% Studiolänge (kurze Nägel) und habe auch Nagelbeißerinnen ab und an bei mir zur Behandlung. Diese Form und Länge benötigt Erfahrung, Können und auch Wissen. Neben dem Zeitfaktor spielt auch der Kostenfaktor eine große Rolle. Dies zusammen haben mich auf keinen guten Nenner bringen lassen und ich überlasse solche Arbeiten gerne Kolleginnen, die sich damit bestens auskennen, da sie dies jeden Tag ausüben.

Goldene Regel für mich als Stylist: Die optimalste Lösung für meine Kundinnen und Kunden zu finden, unter Berücksichtigung der Gesundheit ihrer Naturnägel. Und um in Zukunft auch die beste Arbeit leisten zu können, ist es für mich wichtig, meinen Erfahrungen und meinem Wissen treu zu bleiben und nicht nur das zu machen, was die Kundin toll findet =)

Das Beitragsbild stammt mit freundlicher Genehmigung von Daniela Decker. Nagelstudio Nailstyle